Lyon

A.M.O.R. 01

 

Leseprobe

Band 1 der A.M.O.R.-Pentalogie

1545

Prolog – Ontario, Kanada

Lyon hatte eine kleine Truppe für diesen gewagten Schritt zusammengestellt. Seit zwei Mondaufgängen rückten sie wie Schatten im Feindesland der Magyc vor. Der Eriesee lag hinter ihm, die Festung des Monarchen unmittelbar vor ihm. Die Strömung des Flusses spürte er kaum, weil er sich als Moostierchen an einem algenbesetzten Ast verankert hatte und wartete. Als Amorph war es ihm möglich, seine Form in beinahe jede Gestalt zu wechseln. Zwei seiner Getreuen stießen aus Nord und Ost zu ihm, hielten sich in der Nähe auf, doch Mack fehlte. Sein Verspäten war ungewöhnlich und inakzeptabel. Lyon wollte das gefährliche Unterfangen ungern ohne seinen besten Freund und Heerführer durchziehen. Seine Sorge wuchs mit jeder Minute.

Die dünne Sichel am Himmel wanderte, die Zeit verrann. Ihm blieb keine Wahl, er konnte nicht länger auf Mack warten. Er gab das vereinbarte Zeichen zum Auftauchen. Sie vollzogen es natürlich lautlos unter Einsatz ihrer magischen Kräfte, denn niemand auf der Welt konnte ihnen gefährlicher werden als die verfeindeten Magyc.

Lyon wählte die Form des Nebels und schwebte an der dicken Mauer der alten, hoch gelegenen Festung empor. In schwindelnder Höhe unterhalb einer Loggia hielt er inne. Seine Kameraden folgten, ohne Laute zu verursachen. Ein jeder sondierte die Umgebung, fühlte die verborgenen Schutzwälle des Monarchenhauses, konzentrierte sich auf die eigene Energie, um unentdeckt zu bleiben. Es war lebensnotwendig, auch wenn ein Freund aus Feindesreihen sie erwartete. Hoffte er zumindest. Lyon versuchte erneut, Mack aufzuspüren, doch kein Impuls meldete seine Aura zurück. Wo verdammt steckte Mack? Seit Jahren konnte er sich auf seinen obersten Befehlshaber verlassen.

Weiter! Sie durchdrangen die Ritzen eines hölzernen Fensterrahmens und befanden sich im privaten Burgflügel von Ellenja, der Monarchentochter des Feindes. Sie hatten das Vorgehen sowie das Treffen sorgsam im Voraus geplant. Hoffentlich erwies sie sich als vertrauenswürdig. Lyon spürte die Gegenwart der Magyc nicht, was ihn beunruhigte.

Sie glitten durch einen pompösen Salon auf ein Arbeitszimmer zu; den vereinbarten Treffpunkt. Er zögerte. Das ungute Gefühl verstärkte sich, ließ ein unangenehmes Kribbeln seine Wirbelsäule emporkriechen. Doch seine Sinne witterten keine Gefahr. Bisher lief alles wie besprochen. Er befahl mental seinen Leuten, zu warten, und durchsuchte die hinteren Räume nach dem Grund für seine diffuse Ahnung.

Im Gemach von Ellenja verharrte er abrupt. Eiseskälte schockte ihn. Ohnmächtig vor Fassungslosigkeit starrte er auf das hellblonde Haar, wirr auf dem Kissen verteilt, auf ihr Gesicht, elfenbeinfarben und wunderschön. Kein Herzschlag. Sie war tot. Jemand hatte sie ermordet. In der Millisekunde, in der Lyon die Gewissheit traf wie ein Schlag, erreichten ihn die Warnungen seiner Kameraden und das Zwicken im Nacken; die grausige Erkenntnis: Mehrere Magyc hatten sich versteckt gehalten.

Eine Falle!

Lyon schnellte zurück. Er musste einen Kampf um jeden Preis verhindern, schließlich war er gekommen, um endlich einen Weg zu finden, den verheerenden Krieg zu beenden. Kurz vor dem Salon materialisierte er sich in seine wahre, humanoide Gestalt.

„Nicht schießen! Wir wollen nur …!“

Die grellgoldenen Strahlen der Feinde blendeten ihn, leckten wie tödliche, elektrische Fäden an der Energie seiner Schutzhülle.

„Stopp! Frieden, wir wollen …!“ Sie sahen ihn, Lyon Salassar, den König der Amorphen, doch jedes Wort schien sinnlos, sie wollten nicht hören.

Mauern barsten, Steine flogen wie Geschosse umher, Putz rieselte von der Decke. Die Hölle war entzündet worden. Er hatte keine Wahl, warf sich der Übermacht entgegen, wechselte die Gestalt je nach Art des Angriffs, hieb als Tiger, parierte als Granitblock, wich als Dampf aus.

Immer mehr Magyc stürmten herbei. Sein magisches Netz flackerte geschwächt. Der Körper seines Offiziers schlug neben ihm zu Boden. Sekunden später krachte der starke Leib seines Generals durch den Wohnzimmertisch und blieb reglos auf dem Teppich liegen. Ihre roten Auren erloschen.

Unfassbar! Eiskaltes Grausen erfasste ihn. Seine Feinde hatten eine Waffe entwickelt, die ihre Schutzaura durchdrang und sie tötete.

Die Qual des Verlustes überrollte Lyon, als er seine toten Freunde zurückließ, seine Kraftreserven bündelte, sich freikämpfte und floh. Energiesalven donnerten in seinen Rücken, zerfetzten auch seinen Schild. Ungeschützt fegte er durch die Ritzen des Holzes, transformierte in seine menschliche Erscheinung, um Geschwindigkeit aufzunehmen, und stürzte sich von der Loggia in die Tiefe.

Lyon hatte versucht, endlich Frieden zu schließen und das Gegenteil war eingetreten. Er hatte den ewigen Krieg weiter geschürt. Bevor er sich im Fall in einen Mauersegler verwandeln konnte, rissen ihm mächtige Krallen die linke Gesichtshälfte auf. Ein beißender Schmerz fuhr Lyon über die Wange, das Gift eines Magyc entfachte seine teuflische Wirkung.

„Ergreift ihn!“, hörte Lyon hinter sich die männliche Stimme des Magyc. „Der neue König der Amorphen hat die Tochter unseres Monarchen ermordet. Tötet ihn!“

 

467 Jahre später – 03.09.2012

Maine, USA

Adina hielt vor dem letzten Steilstück inne und atmete tief durch. Der Septemberwind trug das Tosen der Brandung herauf, zerrte an ihrem Haar, kühlte ihre erhitzten Wangen. Wolkenberge verwehrten dem Mond, den engen Weg zu erleuchten, doch den steinigen Pfad zu den Felsklippen kannte sie von Kindesbeinen an. Sie würde den Aufstieg auch in völliger Dunkelheit bewältigen. Selbst jetzt noch.

Adina wartete dennoch einen Moment, bis der bläuliche Schimmer zur Erde drang, dann bezwang sie die aufragenden Felsen. Vor einem schmalen Plateau entledigte sie sich ihrer Schuhe und Socken und zog sich mit einem Klimmzug auf den höchsten, gleichsam den am steilsten abfallenden Punkt der Küste. Ihr Platz der Ruhe.

Die Schattenspiele des Mondes und vorbeiziehender Wolken schlichen über den ebenen Findling. Adina setzte sich, schob die Füße an die Kante und legte die Zehen um sie. So hatte sie als kleines Mädchen oft hier gesessen und der wilden Weite ihre Geheimnisse anvertraut. Die Oberfläche des Felsbrockens war bizarr verwittert, er musste seit einer Unendlichkeit den Wetterverhältnissen trotzen, sich Sturm und Regen entgegenstellen und sich von der salzigen Luft und den wirbelnden Aufwinden vom Meer her formen lassen. Sie seufzte. Wie sehr hatte sie diese Stelle vermisst. Doch sie allein hatte vor Jahren die Entscheidung getroffen, das Kloster und ihre gewohnten Pfade zu verlassen, um sich in einer großen Stadt zu verwirklichen. New York schien ihr gerade groß genug, ihre Träume zu erfüllen. Adina verlangte sich stets viel ab, erwartete von sich immer das Beste. Sie würde die weiterführende Ausbildung zu ihrem Traumberuf als Neonatologin bald mit Bestnoten abschließen.

Ihr Leben verlief wunderbar, bis sie vor einigen Wochen zum ersten Mal bemerkt hatte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Bei der Entbindung eines Frühchens hörte sie den schwachen Herzschlag des Ungeborenen bar jeglichen Hilfsmittels. Tage später legte sie ihre Brille auf den Nachttisch, weil sie ohne besser lesen konnte. Ein Gefühl gesellte sich zu den Phänomenen, als bekäme sie die Grippe. Sie hatte Mittelchen geschluckt und ihr Blut untersucht, ohne Ergebnis. Herzschmerzen versetzten sie schließlich in leichte Panik, und als die neuen Fähigkeiten sich verstärkten und ihren Körper regelrecht zu übernehmen schienen, ließ sie sich krankschreiben. Sie flüchtete an den einzigen Rückzugsort, an dem sie sich sicher fühlte, um herauszufinden, was mit ihr geschah – das Kloster, in dem sie aufgewachsen war.

Adinas Blick wanderte über den Tannenwald hinter sich, der sich nicht bis zu ihrem Platz erstreckte, das dahinter liegende Land aber wie ein Moosteppich bedeckte. Sie sah vor sich gute vierzig Meter die schroffen Felsklippen hinab zu den aufgewühlten Wellen des Atlantiks, die Jahrtausende im Düsteren liegende Grotten gebildet hatten. Das Wasser glitzerte silbrig. Adina schlang die Arme um die Knie, als ein Frösteln sie erfasste. Sie wusste einfach nicht weiter. Sie wünschte sich, eine Beichte gegenüber der Weite des Meeres würde ebenso Gehör finden wie in einem Beichtstuhl. Sie brachte es einfach nicht über sich, ihrem ehrerbietungswürdigen Prior Laughlin eine Silbe von dem zu offenbaren, was dreizehn Jahre nach ihrem Weggang in ihrem Leib und ihrem Geist ausgebrochen war. Das Schlimmste war, es verstärkte sich von Tag zu Tag.

„Ich bin doch zurückgekommen.“ Ungestüme Windböen verschluckten ihr Wispern. „Ich habe alles abgebrochen, also nimm diesen Fluch von mir. Es ist keine Krankheit, das weiß ich.“ Ihre Stimme brach. „Bitte.“

Gedankenversunken sah sie den Mond-Schatten-Spielen auf dem Meer zu, grübelte, ob es nicht doch eine unbekannte Krankheit sein könnte, die sie veränderte, bis sie alarmiert den Kopf hob. Ein Schauder ergriff sie, ohne dass sie den Grund dafür erfasste. Sie wandte sich um, blinzelte in die im Zwielicht liegende Umgebung.

Ein winziger Ruck ging durch sie hindurch. Adina hielt erschreckt die Luft an. Die schmale Plattform, auf der sie saß, bewegte sich. Der Felsbrocken musste sich über die Jahre hinweg gelockert haben. Sie spürte die Bewegungen des Giganten, wie sie das Zermalmen von Steinchen und das Zerreißen von Wurzeln vernahm. Adina erstarrte, der Fels neigte sich in Zeitlupe immer weiter dem Abgrund entgegen. Ihr Platz der Ruhe hatte sich gegen sie gewendet und wollte sie ins Verderben stürzen.

Sie musste hier runter. Vorsichtig drehte sie sich zum Wald. Vor ihr klaffte ein Spalt, der sich zusehends verbreiterte. Ihr Puls dröhnte in den Ohren, übertönte das Donnern der Wellen tief unter ihr in den Grotten. Adina verlagerte ihr Gewicht nach vorn, setzte rasch Hand und Knie so weit sie es konnte Richtung rettendem Untergrund. Nur noch einen Meter. Das Knirschen des Gesteins unterhalb des Plateaus klang wie das Zersplittern von Geröll zwischen Mühlsteinen. Gleich geschafft. Plötzlich kippte der Felsbrocken unter ihr weg. Adina sprang in letzter Sekunde kräftig ab.

Sie bekam gerade noch die Abbruchkante zu fassen und klammerte sich an dem Vorsprung fest. Ihre Finger rutschten. Wurzelgeflecht stach ihr ins Gesicht, Panik überschwemmte sie, puschte und lähmte sie zugleich. Der Fels schlug donnernd in der Tiefe auf, zerschellte an den Ausläufern der Klippen. Schweiß rann ihr in die Augen, ihre Arme zitterten vor Anstrengung. Ihre nackten Füße fanden keinen Halt am Gestein. Sie musste sich hochziehen. Und zwar sofort. Stockend atmete sie ein, hielt die Luft an und zog sich mit einem Klimmzug hinauf.

Jäh glitten ihre Finger ab. Ehe ihr Bewusstsein erfasste, dass sie es war, die verzweifelt schrie, stülpte sich ihr Innerstes nach außen. Sie stürzte. Windsausen und das Grollen der Wellen vermischten sich in freiem Fall mit nur einem Wort: Nein!

Ein brutaler Ruck stauchte ihren Körper völlig unvorbereitet, presste ihr die Luft aus den Lungen. Glühender Schmerz zerriss ihr Denken, vernebelte ihre Sinne. Doch der Tod hüllte sie nicht mit seinen schwarzen Schwingen ein und auch keine Ohnmacht erlöste sie von ihrer Angst, zu sterben.

Sie war nicht unten auf den Klippen aufgeschlagen. Ihr Leib zitterte wie unter Strom und sie wagte nicht, die Augen zu öffnen. Was würde sie sehen? Es fühlte sich an, als würde sie jemand auf dem Arm tragen. Der Todesengel? Blut rauschte ihr in den Ohren, ihr Magen drehte sich. Der Puls raste weiter in einer lebensbedrohlichen Frequenz, während ihr Verstand sich weigerte, zusammenzusetzen, was passiert sein könnte. Es half nichts. Abrupt schlug sie die Lider auf.

Sie erschrak bis ins Mark. Ein glühendes Augenpaar starrte auf sie hinunter.

Der Mond beleuchtete die hohe Felsklippe, auf der sie sich seltsamerweise wieder befand. Verwirrung und blanker Horror sprengten ihre Vorstellungskraft. Das brodelnde Adrenalin peitschte sie hoch. Sie schlug um sich und spurtete los, als sie Boden unter den Füßen verspürte. Mochte Satan ihr die Veränderungen ihres Ichs auferlegt haben, jetzt würde sie diese nutzen. Sie flog regelrecht das zerklüftete Gestein hinab. Ihre Intuition versetzte sie in Schrecken, spornte sie an, noch schneller zu laufen. Was auch immer das Aufschlagen ihres Körpers am Fuße der Klippen verhindert hatte, jagte ihr mehr Angst ein als der Sturz.

Plötzlich stand ihr etwas im Weg. Sie rannte in voller Geschwindigkeit dagegen und prallte ab, wäre gestürzt, wenn Arme sie nicht festgehalten hätten. Ein Grollen erfüllte die kalte Nachtluft. Adinas Blick schärfte sich nur zögerlich. Sie sah erneut die roten Augen und schrie, doch kein Laut entwich ihrer Kehle. Eine riesige Hand hielt ihr den Mund zu, die andere zwang sie sanft, aber bestimmt, bäuchlings auf den Boden.

Sie hatte keine Chance. Kräftige Finger legten ihren Kopf seitlich und drückten ihre Wange auf die Kieselsteine. Erneute Panik verlieh Adinas Muskeln Kraft, dennoch fand eine Reaktion nur in ihrer Einbildung statt, sie bewegte sich keinen Millimeter. O Gott, was hatte sie da nur gefangen?

Das Angst einflößende Knurren des Angreifers vibrierte entlang ihres Rückens und löste eisiges Frösteln aus. Sie kniff die Lider zusammen. Es war Kraft, pure Kraft, die dicht über ihr kauerte und sie niederpresste. Sein Mund musste direkt vor ihrem Gesicht sein, weil schweres Haar und heißer Atem ihre Haut streiften, als er seine Lippen öffnete.

 

—*

 

Lyon fuhr sich mit der Zunge über die pochenden Reißzähne. Sein Durst quälte ihn schlimmer als jede Folter, ließ ihn nur noch an eines denken, seitdem er den Menschen aufgefangen hatte. Und doch hinderte ihn sein Instinkt vehement, in tiefen Zügen von dieser Frau zu trin­ken, obwohl ihr Blut hitzig unter ihm wallte. Der Grund dafür erschloss sich ihm nicht.

Das Schönste am zeitweisen Erwachen aus dem Tiefschlaf blieb die unbändige Gier nach Nahrung und der mitreißende Rausch der Hatz. Aber er wusste, die stimulierende Jagd war rasch passé, sobald die Opfer ihn erblickten, sein Charisma sie beeinflusste und sie seinem Willen wie dressierte Hunde folgten. Dazu brauchte er nicht einmal mentale Tricks anzuwenden. Amorphen fragten nicht, sie nahmen. Die Vorfreude stets erregender als die Erfüllung.

Jedes Mal, wenn er nach ungefähr einem Jahr aus dem Tiefschlaf erwachte, drängte es ihn zurück in seine geheime Schlafkammer, nachdem er sich ausgiebig genährt hatte. Die Furcht, er könnte einem seiner raren Spezies begegnen und Verachtung in dessen Augen lesen, weil er als König der Amorphen abgedankt hatte und verschwunden war, als sie ihn am nötigsten gebraucht hatten, ließ ihn nur unabdingbare Zeit unter Menschen verbringen.

Er hatte es nur durch einen Handel mit dem Feind geschafft, den Krieg mit den Magyc zu beenden. Niemand wusste davon. Sein Abtreten als Bedingung für den Frieden. Die Schmach, einen Deal mit der verfeindeten und zahlenmäßig weit überlegenen Vampirrasse eingegangen zu sein, brach ihm das Herz, doch er hatte keine andere Möglichkeit zur Rettung der Amorphen gesehen.

Lyon senkte den Kopf, berührte mit den Lippen ihren Hals und stockte. Unmöglich, gegen seine Instinkte zu handeln, egal, wie ausgehungert er war.

Verlangen benebelte seinen Geist und er rügte sich. Er lebte nicht, um sich Vergnügen zu gönnen. Seine Aufgabe war und blieb auf ewig, die Amorphen zu beschützen, mit oder ohne königliches Diadem, mit oder ohne Reich. Und dafür musste er schleunigst wieder von der Bildfläche verschwinden. Also musste er rasch trinken.

Er legte seinen Mund auf ihre Halsschlagader und leckte prüfend mit der Zungenspitze darüber. Seine magischen Fähigkeiten bestätigten ihm, was er vermutet hatte. Doch derart heftig, dass alle Nervenbahnen gleichzeitig explodierten. Jede Synapse jagte unterschiedliche Botschaften mit demselben Kontext wie elektrische Ladungen durch seinen Körper. Wie nach einem Stromschlag katapultierte er sich zurück und kam einige Meter entfernt auf die Füße.

Mein Gott! Er würde sich für verrückt erklären, wären seine Sinne nicht untrüglich. Lyon strich sich das Haar nach hinten. Was er lange befürchtet hatte, war eingetreten. Er hatte seinen Eid soeben gebrochen.

Kurz schloss er die Augen und atmete tief durch, während sich sein Innerstes schmerzlich zusammenzog. Er war ausschließlich seinem drängenden Durst gefolgt, hatte jedwede Zeichen missdeutet. Das war unentschuldbar. Er räusperte sich.

„Verzeih mir. Ich ahnte nicht, dass du ein Amorph bist.“