Ein Millionär für mich

Gefährliche Hingabe 2

Leseprobe:

 

Kapitel 1

Da kam ich niemals lebend raus.

Ich zupfte meine Haare weiter in die Stirn, in dem vergeblichen Versuch, mich zu verstecken. Der Lederrock saß zu eng. Dass ich überhaupt so etwas in meinem Schrank gefunden hatte, grenzte an ein Wunder. Das Ding war sicherlich ein Jahrzehnt alt.

Ich starrte auf die Tür, die wie eine gewöhnliche Haustür aussah. Hätte ich auf dem langen Schotterweg bis zur allein stehenden, imposanten Villa die blickdicht verkleideten Fenster nicht gesehen und würde ich nicht wissen, was sich hinter der gutbürgerlichen Fassade von Hausnummer drei verbarg, wäre ich wahrscheinlich nur unwesentlich weniger nervös. Die hohe Natursteinwand, die beidseits des Hauses ein riesiges Grundstück dahinter zu umschließen schien, bereitete mir noch mehr Unbehagen. Ich seufzte. Es lag an mir. Ich war das Problem. Nicht dieses eindrucksvolle Domizil, nicht die gedämpfte Musik, die herausdrang, nicht das, was sich hinter diesen Mauern abspielte. Nun ja, das auch. Aber wäre ich in den vergangenen Jahren mehr für meine jüngere Schwester da gewesen, müsste ich sie jetzt nicht aus diesem abartigen Sumpf ziehen.

Ich hob den Zeigefinger zum goldenen Klingelknopf und verharrte. Die Option, einfach umzudrehen und wegzurennen, nach Hause, in mein sicheres, kleines Zimmer, war leider keine. Ich würde mir so lange Selbstvorwürfe und Sorgen um Cassi machen, bis ich in Fluten aus Gram ertrank und sie dann doch aufsuchte. Ich musste das jetzt durchziehen. Wer wusste schon, wie viel Zeit mir noch blieb?

Das Klicken von Schlössern warnte mich vor, bevor sich eine Sekunde später die Tür schwungvoll öffnete. Dennoch verlor ich beim schnellen Rückwärtsschritt auf den ungewohnt hohen Absätzen das Gleichgewicht. Ein Mann schoss hervor, griff nach meinen rudernden Armen, erwischte einen und packte fest zu. Er zog mich am Handgelenk in die Senkrechte. Ich taumelte nahe an ihn heran.

Durch und durch männlicher Duft umnebelte mich verführerisch angenehm. Würziges Sandelholz, frische Zitrusfrucht und erregende Gewürze. Dass ich das alles in der Kürze überhaupt herausfiltern konnte … Wärme floss von seiner Hand über meine Haut. Mein Herz pumpte inzwischen so rasch Blut durch meinen Körper, dass ich die Beine kaum spürte. Schwäche, Scham und eine gigantische Welle Nervosität überrollten mich. Ich wollte mich wegstoßen, aber ich konnte mich nicht rühren. Mir schwindelte.

„Alles okay?“

Seine tiefe Stimme ließ mich blinzeln. Er hielt mich nach wie vor am Handgelenk fest. Nicht unangenehm, eher, als wollte er verhindern, dass ich plötzlich doch noch auf dem Boden aufschlug wie ein aus Ekel losgelassener, voller Müllsack. Ähnlich anziehend fand ich mich gerade auch.

Seine große Hand ging in kräftige Unterarme über. Eine goldene Uhr, hochgekrempeltes schwarzes Seidenhemd, mehrere Knöpfe am Hals offen, gebräunte Haut, schlanker Hals, gestutzter Bart um den sinnlichen Mund. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

„Da sind Sie ja wieder.“

Ich … ich hatte ihn angestarrt. Starrte ihn immer noch an. Durchdringendes Blaugrün leuchtete aus einem markanten, von dunkelbraunem mittelkurzem Haar eingerahmten Gesicht zurück. Ich räusperte mich. „Entschuldigen Sie bitte.“ Ich entzog ihm meinen Arm und wich vorsichtig zurück. Seine Größe und seine gewaltige Präsenz verunsicherten mich zusätzlich. Ich sollte schnell verschwinden. Verdammt, Cassi, wo hast du mich da nur reingeritten? Das war alles nichts für mich. Ich konnte das nicht.

„Wollten Sie wirklich hierher?“

O Gott! Wie peinlich. Er hatte es mir sofort angesehen. Ich gehörte nicht an diesen Ort. Wenn ich nicht ruckzuck zu meinem alten, verstaubten Ich zurückfand, das ich vor sieben Jahren tief vergraben hatte, würde man mich vielleicht nicht einmal hineinlassen. Ganz sicher sogar.

Er neigte den Kopf, um mir ins Gesicht zu sehen. „Sie wollen also wirklich ins Triskel.“

Der Kerl lächelte. Nicht überheblich, nicht unangenehm, aber dennoch sah ich, dass er es längst wusste. Was spielte sich der Blödmann eigentlich so auf? Nur weil ich mich mit diesem Kram nicht auskannte, war ich dennoch genauso ein Mensch mit Gefühlen wie jeder andere auch. „Ja“, sagte ich deshalb und lächelte zurück, „ich möchte genau hierher. Danke für Ihre Rettung.“ Ich schenkte ihm noch einen hoffentlich geglückten Augenaufschlag und schob mich an ihm vorbei ins unbekannte Innere des berühmtesten BDSM-Clubs von Chicago.

 

* 

 

Dylan sah der Frau hinterher. Er strich sich das Haar zurück. Sein brisanter Termin bei seinem Rechtsanwalt konnte warten. Eigentlich nicht, aber das war jetzt nebensächlich.

Er folgte ihr und schloss die Eingangstür hinter sich. Sie stand wie erwartet orientierungslos im pompösen, lichtgedämpften Eingangsbereich vor der Wahl, welche der sechs verschlossenen, mit Samt bespannten Türen sie nehmen sollte. Sein Türsteher, an dem sie einfach vorbeigegangen war, suchte seinen Blickkontakt. Dylan schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Benötigen Sie Hilfe, Miss?“

Sie griff rasch nach dem Knauf einer Tür, die sie in den ersten Barbereich führen würde, und drehte den Kopf zu hektisch, um relaxt zu wirken, kurz in seine Richtung. „Nein, danke. Ich finde mich schon zurecht.“

Dylan grinste heimlich in sich hinein. Solche Mädchen liebte er, die Geschichten, die hinter den Fassaden schlummerten. Obwohl sie sich in Schale geworfen hatte, passte sie nicht hierher. Er würde sein linkes Ei darauf verwetten, an dem er sehr hing, dass sie noch niemals in einem Club gewesen war, in dem Dominanz und Unterwerfung zum leidenschaftlichen Spiel von Fremden und Paaren gehörte. Es fühlte sich belebend an, einen Menschen zu sehen, an dem noch nicht alles abprallte, den neue Begebenheiten nervös machten, den das Leben noch überraschen konnte. Schon lange fühlte er eine tief verborgene Leere in sich. Nichts konnte ihn wirklich locken, weil es sich weder neu noch aufregend anfühlte. Sein Leben war grau geworden, und nun zogen seit Wochen auch noch tiefschwarze Wolken hindurch, die er nicht bändigen oder gar verschwinden lassen konnte.

Er atmete einmal tief durch und verdrängte die düsteren Gedanken. Oder eher verdrängte diese unscheinbare, junge Frau sie, die nur Gott oder wohl eher der Teufel mit seinen Spielchen vor seinen Club geführt hatte. Sie hatte sofort seine komatösen Lebensgeister geweckt. Nicht nur das. Die Berührung ihres Handgelenkes, das starke Pulsieren ihrer Adern, hatte sich wie ein prickelndes Lauffeuer in ihm ausgebreitet. Er wollte sie … beschützen. Beschützen? Wovor zum Henker? Vor seinem Club? Davor, dass ihr irgendwer wehtat? Himmel, warum beschäftigte sie ihn so sehr? Sie war eine Frau wie jede andere, warum auch sollte sie anders sein? Erinnerte sie ihn an jemanden? Quatsch, der Wunsch war Träger seiner Gedanken. Dennoch, er musste einfach wissen, wer sie war.

Dylan hatte lange genug gewartet. Mit geradem Rücken und erhobenem Kopf ging er durch dieselbe Tür wie die Unbekannte. Sein Blick fand sie wie magisch angezogen sofort an der langen Bar aus Messing. Er hatte erwartet, dass sie erschlagen von den neuen, ungewohnten Eindrücken immer noch hinter der Tür stehen würde. Aber nein, dieses Mäuschen war doch eines, das wusste, was es wollte. Selbst in einem ihr fremden Käfig voller Raubkatzen.

Er ging näher, grüßte hier und da ein Paar mit einem knappen Nicken. Sein Barkeeper stellte ihr gerade eine leicht beschlagene Sektflöte vor die Nase. Sie bedankte sich und trank einen großen Schluck. Okay, vielleicht wollte sie doch eher ihre flatternden Nerven beruhigen, als dass sie wusste, was sie in seinem Reich wollte. Suchte sie ein Abenteuer? Einen Kick? Sie wirkte nicht so. Andererseits sah sie sich zurückhaltend suchend um. Ein erregendes Grinsen floss ihm durch den Leib, als hätte er den Sekt getrunken, der durch ihre atemberaubende Kehle geronnen war. Wonach gelüstete es sie?

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

Sie zuckte leicht zusammen und stellte das Glas vorsichtig auf dem Tresen ab. „Natürlich.“ Sie lächelte. Ihre leicht geöffneten, ungeschminkten Lippen offenbarten ein paar gerade weiße Zähne. Mit ihrer auffallend voluminösen schwarzen Wellenpracht versprühte sie etwas Exotisches.

Dylan musste sich bemühen, nicht gleich zu offenbaren, wonach es ihn gelüstete. Herrje! Es war fast zwanzig Jahre her, dass er sich wie ein unwissender Schuljunge gefühlt hatte.

Er setzte sich in aller Gelassenheit und wandte sich ihr zu. Sie trank die Flöte leer, stand vom Barhocker auf und schlenderte davon. Verdammter Mist! Am liebsten hätte er laut „Bleib!“ gerufen. Wenn er ihr noch einmal folgte, grenzte das schon an Stalking. „Ich könnte Ihnen bei Ihrer Suche behilflich sein.“

Sie hielt inne. Halber Sieg. Seine Glücksgefühle tanzten mit seinen Egogeistern Samba. Wie lange war es her, dass er sich als Eroberer gefühlt hatte? Er sagte nichts, lächelte auch nicht, sah sie einfach offen an. Sie musste den nächsten Schritt tun. Und sie würde. Auf jeden Fall! Sie musste einfach zu ihm zurückkommen.

„Ich finde immer allein, wonach ich suche.“ Sie drehte sich um und verließ den Barbereich durch die hintere Tür.

Das gab es doch nicht! Er war sich nicht sicher, ob er auf den Tresen hauen und fluchen oder laut loslachen sollte. Warum fand sie immer alles allein? Wer sagte denn so etwas? Wen oder was suchte sie überhaupt? Einen Mann? Er grollte. Sie warf mit jeder Sekunde mehr Fragen auf. Er wusste noch nicht einmal ihren Namen. Na, warte!

...

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